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Barista Trainer Goran Huber

Kaffee-Geheimnisse ganz exklusiv

Goran Huber (beinahe) im Kaffee-Himmel gelandet

Nicaragua – Kaffee-Ursprungsland lockt mit vielen Geheimnissen

„Es war Glück oder einfach eine Fügung des Schicksals, als vor einigen Wochen Ulrich Salamun, ein bekannter österreichischer Kabarettist bei mir anrief und um ein Treffen bat“, erinnert sich  Goran Huber. Zu der Zeit waren Leonhard Wild, ein Röster aus Garmisch, und Goran Huber gerade mit den Vorbereitungen für eine Kaffee-Expedition nach Nicaragua beschäftigt. Trotz knappem Zeitbudget, der Anruf klang interessant und vielversprechend und so kam das Treffen zustande.

Ulrich Salamun ist nicht nur erfolgreicher Kabarettist sondern ausgewiesener Kaffee-Experte, der in Nicaragua selbst Spezialitätenkaffee anbaut und mehrere Monate pro Jahr vor Ort verbringt. „Er hatte durch Zufall von unseren Reiseplänen erfahren und wollte uns kennenlernen. Wie sehr uns die große Leidenschaft und das Streben nach neuem Wissen verbindet, zeigte sich rasch. Daraufhin bot uns Ulrich seine Unterstützung bei unseren Exkursionsplänen an“, lässt Goran Huber das erste Treffen Revue passieren.

Know-how aus Übersee für einen Coffee-Shop in Granada

Nach der Landung in Nicaraguas Hauptstadt Managua stehen Goran Huber und Leonhard Wild am Anfang einer unglaublichen Reise in die Welt des Kaffeeanbaus und der Kaffeeverarbeitung „mit außerordentlich tiefen Einblicken in das reale Leben der Kaffeebauern, ihr Know-how, ihre Arbeits- und Anbauweise und Erfolge bezüglich der hervorragenden Qualität“.

In Begleitung von Ulrich Salamun geht es zunächst nach Granada, der ersten Station ihrer Reise. Hier betreibt Ulrich gemeinsam mit einem jungen Team, das sich aus Töchtern und Söhnen von Kaffebauern aus dem Norden des Landes zusammensetzt, einen eigenen Coffee-Shop, mit dem Ziel, auch im Land des Kaffeeanbaus einen Beitrag zur Förderung gehobener Kaffee-Konsum-Kultur zu leisten. „Nicaragua ist ein sehr armes Land, und daher gibt es nur sehr wenige professionelle Siebträgermaschinen, wie sie in Ulrichs Coffee-Shop zur Verfügung stehen. Es war ihm daher ein großes Anliegen, dass wir seine Mitarbeiter auf diesem Gebiet ein bisschen schulen, und das haben wir natürlich gerne getan. Wir haben uns dabei vor allem auf die gekonnte Zubereitung, die richtige Extraktion, gekonntes Milch aufschäumen und die Grundlagen von Latte Art konzentriert. Es war schon etwas Besonderes, in einem der Kaffee-Ursprungsländer Kaffeeschulungen durchzuführen“. Goran Huber hat damit erstmals sein Schulungsterrain nach Übersee ausgeweitet.

Im weiteren Verlauf der Reise waren es allerdings Goran Huber und Leonhard Wild, die von den Kenntnissen ihres Gastgebers vor Ort profitierten: So erklärt Ulrich uns schon bei der Autofahrt, dass man in Nicaragua nicht von Plantagen sondern entweder von Fincas oder Haciendas spricht. Während auf den nach der Revolution verblieben Haciendas, Großbetrieben im alten Stil, Kaffee in industrieller Landwirtschaft produziert wird, ist man auf den Fincas der kleinen und mittleren Bauern schon weiter: Hier wird in nachhaltiger Landwirtschaft Schattenkaffee entweder biologisch oder unter geringstmöglichem Einsatz von Kunstdünger produziert. So hat sich Nicaragua in den letzten Jahren einen Ruf als Ursprungsland international beachteter Spezialitätenkaffees erworben.
Ulrich beherrscht die spanische Sprache und kommt mit seiner offenen und ehrlichen Art bei den Einheimischen sehr gut an. Das öffnet natürlich auch viele Türen. Denn er möchte nicht nur Kaffee anbauen und verkaufen, sondern auch etwas für die Menschen im Land bewegen. Wie er das macht, sollten wir im Verlaufe unserer Reise noch an ganz praktischen Beispielen erfahren.

Erlebnisreich: Oma kocht Filterkaffee

Eine Finca im sehr bekannten Anbaugebiet Jinotega stand am zweiten Reisetag am Besichtigungsprogramm. Familie Castillo freute sich Ulrich Salamun wiederzusehen und auch die „fremden Begleiter“ wurden herzlich begrüßt. Inmitten einer großen Kinderschar wurden gegenseitig unzählige Fragen gestellt und mindestens ebenso viele Antworten mit großem Interesse aufgenommen. „Ein Barista aus Österreich zu Gast zu haben und noch dazu einen, der sein Land bereits drei Mal bei einer Weltmeisterschaft vertreten durfte, war auch für unsere Gastgeber eine Besonderheit, wie sie uns mehrfach versicherten.“ Begleitend zu den anregenden Gesprächen wurde Kaffee serviert, zubereitet von der ‚Oma‘ des Hauses. „Ihr bei der Kaffeezubereitung zuzusehen, war schon ein Erlebnis für sich. Filterkaffee auf original nicaraguanische Art: Der im Comal, einer flachen Tonschale, über dem Feuer geröstete Kaffee wurde gemahlen und danach in einen großen Topf mit heißem Wasser gegeben, aber nicht mehr gekocht. Etwa drei bis vier Minuten später wurde der Kaffee durch ein Tuch abgeseiht und eine Kanne gefüllt. Diese Art der Kaffeezubereitung habe ich noch auf keiner meiner vielen Kaffee-Exkursionen gesehen und es war faszinierend Oma Castillo dabei zu beobachten“, denkt Goran Huber gerne an die Verkostung zurück. „Zunächst hat uns ‚Oma‘ eine Tasse ungesüßten Kaffee serviert. Der hat sehr gut geschmeckt und war angenehm zu trinken. Ein ausgezeichneter Filterkaffee. Danach wurde uns der Kaffee so gereicht, wie er bei ihnen traditionell zubereitet wird und das heißt: Mit sehr, sehr viel Zucker. Ein Kaffee, zwei Geschmackserlebnisse und ein ganz neue Erfahrung. Man muss das wirklich einmal probiert und gesehen haben.“

Kaffee aus Nicaragua ist beliebt

In Europa wird sehr viel Kaffee aus Nicaragua bezogen. Doch nur die wenigsten Einkäufer wissen um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen vor Ort Bescheid. „Leonhard und ich haben letztes Jahr ebenfalls eine Kaffeespezialität aus Nicaragua gekauft. Pacamara. Damit wuchs aber auch das Interesse, wie dieser biologische Kaffee angebaut wird, wie in Nicaragua gearbeitet wird und welchen Beitrag wir Europäer leisten können, um den Anbau dieser und anderer Kaffeespezialitäten längerfristig zu sichern. Genau diesen Fragen waren wir nun hautnah auf der Spur“, so Goran Huber.

„Wir alle wissen aus Erfahrung: Die meiste Spanne beim Kaffee hat der Gastronom, Am wenigsten daran verdienen die hart arbeitenden Kleinbauern auf den Fincas. Die Leute sind sehr arm und abseits der Ballungszentren ist die medizinische Versorgung nur mangelhaft. Die Pflücker und Kaffeebauern haben oft weder Geld noch die nötigen Transportmöglichkeiten, um Kranke in die weit entfernten Städte zum Arzt zu bringen, und viele Kinder sterben auf dem Land noch immer an einfach zu behandelnden Infektionskrankheiten wegen mangelnder medizinischer Versorgung.“

Ulrich Salamun hat bereits konkrete Projekte initiiert, mit denen er den Kaffeearbeitern etwas Unterstützung bieten kann. Dazu zählen z.B. verbesserte Unterkünfte für die Arbeiter auf seinen Modellfincas und die Möglichkeit, den Schulabschluss im Unterreicht am Nachmittag nachzuholen. Goran Huber und Leonhard Wild haben sich während ihrer Reise ebenfalls zum Ziel gesetzt, effektive Hilfe für gute und qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten. Es gibt bereits einige konkrete Überlegungen, wie diese Hilfe organisiert werden kann, ohne den klassischen Weg der Spendensammlung zu beschreiten. „Mit Fortdauer unserer Reise haben wir zunehmend mehr Ideen entwickelt. Jetzt gilt es die effizienteste Lösung zu finden.“

Der Weg vom Pflücker zur Kooperative ist weit

Der Kaffee der Keinbauern wird im Gegensatz zu den Haciendas, die in den tieferen Regionen des Landes direkt an der Straße liegen, hoch oben in den Bergen Jinotegas angebaut. Zwar befinden sich die Fincas dieser Kleinbauern in den besten Lagen für die Produktion von Spitzenkaffee, allerdings sind sie größtenteils nicht mit dem Auto zu erreichen. Die in diesen Regionen lebenden die Kaffeebauern und –pflücker haben zwar die schwerste Arbeit, verdienen aber am wenigsten.
Im besten Fall sind sie in einer Kooperative, ähnlich einer Genossenschaft, organisiert, der sie den Kaffee ins Tal liefern, und die sich auch um den Weitertransport ins Beneficio, dem Ort der trockenen Aufbereitung, und die Vermarktung bemüht.
Obwohl die Kooperativen, als Zusammenschluss von Kleinbauern, oft nicht über das nötige Kapital zum Ankauf einer ganzen Ernte ihrer Mitglieder verfügen, sind sie dennoch die beste Option für den kleinen Kaffeeproduzenten. Als Alternative bliebe ihnen sonst nur, Ihren hochwertigsten Kaffee unter dem Wert an sogenannte fliegenden Ankäufer zu verkaufen um an dringend benötigte Bargeld für die Bezahlung der Erntehelfer zu kommen. Der von den fliegenden Ankäufern erworbene Kaffee, wird mit minderwertigem aus tieferen Lagen vermischt und ist für imemr verloren.

Genau hier hakt Ulrichs Firma Biosfair ein, die die Kooperativen stärkt, indem sie ihnen Ankaufskapital zur Verfügung stellt und für eine direkte Vermarktung zu fairen Preisen in Europa sorgt.
Biosfair geht aber noch einen Schritt weiter und beschäftigt das ganze Jahr hindurch Agraringenieure, Spezialisten, die die Kooperativenmitglieder im biologisch nachhaltigen Anbau von Kaffee schulen.

„Obwohl manche Kaffeebauern schon viel besser situiert sind als andere, ist der Lebensstandard mit jenem, den wir aus Österreich kennen, in keinster Weise zu vergleichen“, hat Goran Huber tiefgehende Eindrücke aus dem Alltag der Menschen mit in die Heimat genommen.

Hoch oben wächst Kaffee erstklassiger Qualität

Begleitet von Mitgliedern der Familie Castillo ging es schließlich hinauf in die Berge, auf eine Höhe von über 1500 Meter. Weniger als 20 °C werden hier oben gemessen. „Auf der Castillo-Finca wächst biologischer Kaffee unter den besten Bedingungen. Im ersten Moment fühlt man sich allerdings wie im Dschungel“, beschreibt Goran Huber den Besuch auf der Finca. „Oben auf den Bäumen leben die Affen, und es ist eine Freude ihnen zuzusehen, wie sie unter lautem Geschrei von Baum zu Baum springen. Wir konnten mit den Affen auch spielen. Unser Hauptaugenmerk galt dann aber doch wieder dem Kaffee.“ Die Finca präsentierte sich ausgezeichnet gepflegt. Durch die höhere Lage und die zahlreichen Schattenbäume, die direkte Sonnenbestrahlung weitgehend abhalten, wachsen bzw. reifen die Kaffeekirschen langsamer, die Bohnen werden härter und speichern mehr Aromen. Darüber hinaus schützen Schattenbäume aber auch vor dem Wind.

„Der Saft der verkosteten reifen Kaffeekirschen war sehr süß und angenehm schmeckend, beinahe so wie Honig“, beschreibt Goran Huber die Kostprobe. Kaffeekirschen sehen herkömmlichen Kirschen ähnlich, nur bei den Aromen wird der Unterschied deutlich. „Von Kaffee ist allerdings noch gar nichts zu schmecken.“

Stundenlang lauschte das dreiköpfige Exkursionsteam den Ausführungen und Erklärungen des stolzen Fincabesitzers und konnten sich davon überzeugen, dass ausschließlich reife Kaffeekirschen gepflückt werden, und das ausschließlich händisch. Ein guter Pflücker pflückt pro Tag etwa 60 bis 80 Kilogramm reife Kaffeekirschen. Das ergibt einer groben Schätzung zufolge rund 5 bis 10 Kilo fertigen Kaffee. Das meiste Gewicht hat das Fruchtfleisch, das Saft und Wasser enthält.

„Insgesamt gibt es pro Jahr drei Pflückdurchgänge. Wir konnten auf den Kaffeebäumen daher auch zeitgliche reife, unreife und halbreife Kirschen sehen. Für den Export wird vorrangig die zweite Ernte verwendet, das ist die beste Qualität“, erklärt Goran Huber.

Einwandfrei biologisch verarbeitet

Anschließend führte die Fahrt weiter zu einem Kaffeebauern, wo die Besucher zusehen konnten, wie die gepflückten Kaffeekirschen weiterverarbeitet werden. „Zunächst wird das Fruchtfleisch mit einer kleinen Maschine entfernt. Danach werden die Kaffeebohnen in einem Fermentierbecken fermentiert. 12 bis 48 Stunden dauert dieser Vorgang. „Die Bauern wissen aus Erfahrung ganz genau, wann die Fermentation abgeschlossen ist“, erzählt Goran Huber. „Dann werden die Pergaminos herausgeholt und gewaschen. Dabei wird ausschließlich reines Wasser verwendet, um wirklich alle Reste des Fruchtfleischs zu beseitigen. Danach werden die schön gereinigten Pergaminos zum Vortrocknen ausgelegt. Meist auf Gittern oder Holzbrettern, wobei Gitter den Vorteil haben, dass die Pergaminos von oben und unten gleichmäßig trocknen. So wird das Fäulnisrisiko minimiert.“ (Anm.: Pergaminos sind übrigens die Schalen, die die Bohnen schützend umhüllen!)

Das entfernte Fruchtfleisch, die sogenannte Pulpa, wird gesammelt, zu Kompost verarbeitet und als Dünger wieder in den Boden eingebracht. „Das Resultat ist zu 100 % biologischer Kaffee.“

Auch Jungpflanzen werden aus den eigenen Früchten gezogen und auf den Zukauf industriellen Zuchtpflanzen verzichtet. „Kaffeekreuzungen für neue und verbesserte Vielfalt gibt es allerdings schon, und das ist gut so“, konnten Goran Huber und seine Begleiter auf der besichtigten Finca unter anderem die Variäteten Caturra, Catimor, Catuai, Pacamara, Maragogype und Yellow Bourbon erkennen. Viele Neupflanzungen in neu angelegten Parzellen lassen in drei bis fünf Jahren auf neue Ernten hoffen.

Roja bedroht die diesjährige Ernte

In den niedrigeren Lagen, d.h. vor allem unter 1200 Meter, kämpfen die Kaffeebauern dieses Jahr mit großen Ernteausfällen, verursacht von einem Schädling namens „Roya“, auch Kaffeerost genannt, der sich in ganz Mittelamerika ausgebreitet und bereits massive Schäden verursacht hat. „In Talnähe hat Roya viele Kaffeebäume komplett zerstört. Auf vielen Fincas und Haciendas wurden bereits alle Bäume gefällt. Das bedeutet einen Ernteausfall über drei bis fünf Jahre und es ist damit zu rechnen, dass Kaffee in guter Qualität aus dem mittelamerikanischen Raum, u.a. aus Nicaragua, in den kommenden Jahren nur zu deutlich höheren Preisen erhältlich sein wird“, prognostiziert Huber. „Da es sich bei der Roya um einen Pilz handelt, der sich unter ungünstigen klimatischen Bedingungen epidemisch ausbreiten kann, ist vor allem seine Bekämpfung in der biologischen Landwirtschaft, wo systemische Fungizide tabu sind, problematisch. Ein guter Schutz gegen massiven Pilzbefall sind gepflegte Kaffeebäume, die keine Nährstoffdefizite aufweisen.“

Auch hier ist Ulrich Salamuns Firma Biosfair in Pilotversuchen tätig, indem Know How aus dem biologischen Landbau aus Europa auf den Kaffeeanbau übertragen wird. Zudem hat heuer Biosfair den geschädigten Kleinbauern mehr als eine halbe Million Jungpflanzen kostenlos zur Verfügung gestellt, um die Versorgung mit Spitzenkaffee auch in den nachfolgenden Ernten sicherzustellen.

Andere auftretende Schädlinge werden in tiefer gelegenen Plantagen auch mit Pestiziden bekämpft, im biologischen Kaffeeanbau kommen hingegen ausschließlich natürliche, biologische Substanzen zum Einsatz. Die Überwachung biologischer Produkte wird von staatlich akkreditierten Bio-Kontrollstellen wie zum Beispiel Biolatina durchgeführt.

Am Ende eines langen und informativen Tages kehrten die drei Kaffee-Experten nach Jinotega zurück. Und wie könnte es auch anders sein, übernachtet wurde ganz stilgerecht im Hotel „Cafe“.

Vom Pergamino zum Kaffee

Der nächste Reisetag führte das Trio in ein Beneficio. Auf mehrere Quadratkilometer umfassenden Talböden werden die angelieferten Pergaminos auf Beton- oder Kachelböden, seltener auf Planen, zum Trocknen ausgelegt. Für einen guten und gleichmäßigen Trocknungsprozess müssen die Pergaminos regelmäßig gewendet werden. Dazu sind Arbeiter den ganzen Tag über mit großen Schaufeln im Areal unterwegs. Die Vielzahl an Beneficios und deren gewaltige Ausmaße nimmt für europäische Verhältnisse unvorstellbar große Landflächen ein.

Nach dem Trocknen kommen die Pergaminos in eine Schälmaschine. „Ein besonderes Qualitätsmerkmal ist, dass die Schälung erst dann erfolgt, wenn eine Bestellung vorliegt, d.h. erst kurz vor dem Transport. So bleiben die schöne Farbe und die guten Eigenschaften der Kaffeebohne erhalten.“

Aus der Schälmaschine kommen die Kaffeebohnen auf ein Rüttelsieb. Hier erfolgt die erste Klassifikation. Zunächst nach der Größe. Dann werden die Qualitätsstufen mit Ultraschallgeräten festgelegt, und in der dritten Stufe werden die Bohnen von Frauen mit Staubschutzmasken nochmals händisch aussortiert. So wird sichergestellt, dass wirklich nur erstklassige Qualität in den Export gelangt. Goran Huber hat bereits zahlreiche Kaffee-Exkursionen absolviert, war mehrfach in Puerto Rico, Costa Rica, Kolumbien, Guatemala, Hawaii, Jamaika u.a.m., dass mit der Schälung bis zum Verkauf zugewartet wird, hat er allerdings zuvor noch nie gehört.

Der Trocknungsgrad ist entscheidend

Im Beneficio wird Kaffee auf Bestellung seit einigen Jahren auch trocken aufbereitet, obwohl das in Nicaragua, das für seine gewaschenen Arabicas bekannt ist, eigentlich sehr unüblich ist. Dabei werden die Kaffeekirschen unbehandelt getrocknet, und erst danach werden das Fruchtfleisch sowie die Pergaminos entfernt. Je nach Witterung dauert die trockene Aufbereitung zwei bis drei Wochen. „Bei der trockenen Aufbereitung bekommt der Kaffee eine leicht süßliche Note, ausgelöst durch die Schleimschicht zwischen Fruchtfleisch und Pergaminos, die während der Trocknung erhalten bleibt. Allerdings ist die nasse Aufbereitung, als gewaschener Arabica-Kaffee, sauberer und besser zu verlesen. Auch kommt die bessere und feinere Säure mehr zur Geltung“, nennt Huber die wesentlichen Unterschiede der Aufbereitung. Der Trocknungsgrad des Rohkaffees wird mit speziellen Feuchtigkeitsmessgeräten festgestellt. Kurzerhand wurden die drei Kaffee-Experten aus Europa mit den wichtigsten Regeln für exakte Messungen vertraut gemacht und durften ihr frisch erworbenes Wissen auch gleich praktisch unter Beweis stellen. „Man lernt wirklich nie aus“, ist Goran Huber begeistert.

Nicaraguas Vielfalt an einem Tisch

„Unser Fachwissen und unsere Meinung war unseren Gastgebern ein großes Anliegen. Und Gesprächsstoff hatten wir wahrlich genug. Besonders bei der eigens für uns vorbereiteten Spezialverkostung bei der alle Kaffees die in Nicaragua produziert werden zu Tisch gebracht wurden; Biologisch und nicht-biologisch, klassische Sorten, verschiedene Varietäten wie z.B. Maragogype, Pacamara, Catura, Catuai, Catimor, Kaffees von verschiedenen Plantagen und – unserem Wunsch entsprechend, auch völlig unreife Kaffees.“ Für den Laien stellt sich natürlich sofort die Frage, „warum will man unreifen Kaffee verkosten?“ Für Goran Huber ein klarer Fall: „Nur so kann ich meinen Gaumen perfekt trainieren. Ich will wissen, wie unreifer Kaffee schmeckt, denn unreife Kaffeekirschen landen häufig als billiger Verschnitt in Kaffeemischungen (Blend) und werden deutlich teurer verkauft, als es der tatsächlichen Qualität der Mischung entspricht. Daher ist es wichtig, auch den Geschmack von unreifem Kaffee zu kennen und heraus“schmecken“ zu können. Rein optisch lässt sich die Beimischung von unreifem Kaffee nur schwer feststellen.

Unreife Kaffeekirschen werden auch verkauft. Ganz unter dem Motto: Alles hat seinen Preis. Am großen Weltmarkt wird alles angeboten: von den Kaffeespezialitäten bis zum „preis-angepassten“ Kaffee. Hier differenzieren zu können, bedeutet einen klassischen Einkaufsvorteil und gibt Qualitätssicherheit.

Gaumentraining mit Seltenheitswert

„Für die Spezialverkostung wurden von allen nicaraguanischen Kaffeesorten jeweils 100 g geröstet und zur Verkostung gereicht. Auf speziellen standardisierten Beurteilungsbögen wurden wir um unsere Meinung gefragt, zum Kaffeegeruch in geröstetem und gemahlenem Zustand, im Aufguss, zu Geschmack, Säure, Süße, Bitterkeit, …. Ich bin überzeugt, eine Verkostung in diesem Ausmaß, haben außer uns noch nicht viele Kaffee-Experten erlebt. Und einige der präsentierten Kaffees waren wirklich ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis“, schwärmt Goran Huber von unvergesslichen Kostproben.

Erdbeeren von der Kaffeeplantage und ein umwerfendes Panorama

Volles Programm ohne Ende auch am nächsten Tag. Nach etwa vier Stunden Wegzeit, zuerst mit dem Landrover, dann gefolgt von einem langen Fußmarsch durch matschiges Gelände, erreichte das Trio die Kaffeefinca von Ulrich Salamun. Unterwegs ein Zwischenstopp bei einer kleinen Finca, fachmännisches „Entpulpen“ lernen war für Goran Huber und Leonhard Wild angesagt. Entpulpen, d.h. mit einer kleinen Handschälmaschine das Fruchtfleisch von den Kirschen entfernen. In der Theorie nichts Neues für die beiden Kaffeeprofis, als praktische Übung hingegen schon. „Inzwischen habe ich mir auch so eine Maschine als Anschauungsobjekt bestellt“, möchte doch Goran Huber seinen Kursbesuchern auch diesen wichtigen Arbeitsschritt in der Kaffeeproduktion praxisnahe vermitteln.

Eine neu angelegte Finca von Ulrich Salamun war das nächste Ziel. Eine weitere Stunde Fußmarsch, steil bergauf, wurde umfassend belohnt: Eine eindrucksvoll angelegte Finca, auf der im Vorjahr die jungen Kaffeebäumchen aus der eigenen Baumschule ins Gelände ausgepflanzt wurden. Der Kaffee wächst im Schatten großer Bäume eingebettet im bestehenden Wald, und dort wo vor ein paar Jahren noch Weideland war, wurde aufgeforstet und zwischendurch viele schnell wachsende Bäume gepflanzt, unter anderem auch Bananenstauden, als perfekte Schattenspender. „Von dieser Modellfinca ist in drei bis vier Jahren Kaffee in absoluter Top-Qualität zu erwarten“, ist Goran Huber überzeugt. Neben vielen Erklärungen und Details zu Anbau und Pflege steuerte der begeisterte Fincabesitzer noch eine köstliche Abwechslung bei: Frische Erdbeeren, gewachsen inmitten des jungen Kaffeegartens und umgeben von einem traumhaft schönen Panorama. „Der lange Anmarsch hat sich mehrfach gelohnt!“ waren Huber und Wild begeistert.

Wohnen in der 5-Sterne-Garage

Eine weitere Nacht in einem typischen Landarbeiterhotel Nicaraguas liegt hinter den reisenden Kaffeeexperten, dann geht es weiter nordöstlich, Richtung Honduras. Unterwegs ein Stopp bei einer kleinen Finca von Ulrich Salamun, zu der er erst kürzlich und mehr durch Zufall gekommen ist. Der früheren Besitzer war wegen eines Rückenleidens körperlich nicht mehr dazu im Stande, die Finca weiter zu bewirtschaften und wollte sich im Tiefland der Viehzucht widmen. Der Sohn des Vorarbeiters der Modellfinca, der von seinem Vater das Handwerk des Kaffeeanbaus von der Pieke auf gelernt und auch dessen grünen Daumen geerbt hat, lebt nun mit Frau und Kind auf dieser kleinen Finca und beschreitet dort gemeinsam mit Ulrich neue Wege im Kaffeeanbau. Eigenverantwortlich arbeitet er mit einem kleinen Team aus Nachbarn auf der Finca und erledigt alle im Jahreskreis des Kaffeeproduzenten anfallenden Arbeiten wie Rückschnitt, Düngung, Nachsaat und vorallem des händisch durchgeführten Unkraut-Jätens, das der völlige Verzicht auf Unkrautvertilgungsmittel jedes Monat nötig macht. Zur Erntezeit wird gepflückt, gepulpt, fermentiert und der Kaffee vor Ort verarbeitet. Ähnlich verhält es sich auch auf anderen Fincas, die Salamun ihren früheren Besitzern abgekauft und so vor Abholzung und Umwidmung in Weideland bewahrt hat. Regelmäßig kommt er vorbei, schaut, welche Arbeiten erledigt wurden und welche Arbeiten anfallen und legt dabei selbst tatkräftig für ein paar Tage mit Hand an. „Kaffeeanbau ist Teamwork, alleine bist du verloren.“ Deshalb unterstützt er seine Angestellten bei Bedarf auch über den Dienstvertrag hinaus, wenn er beispielsweise mit so einfachen Dingen wie einem Solarpanel für Strom auf der abgelegenen Finca sorgt. Auf dieser Finca konnte er mit einer kleinen, einfachen Unterkunft unterstützend eingreifen. Die Bescheidenheit der nicaraguanischen Kaffeebauern beeindruckt Goran Huber: „In ein kleines sauberes Haus aus Holz wird ein Bett vor den solar betriebenen Fernseher gestellt. Telenovelas und Fußballspiele verbinden die jungen Bewohner des Häuschens mit dem Rest der Welt und lassen sie nach der Arbeit entspannen. Damit sind die Leute schon zufrieden, und das reicht ihnen zum Wohnen. Im Vergleich dazu wäre bei uns ein Garage bereits ein 5-Sterne-Haus.“

Wiwili - wie will i?

„So will ich sicher nicht und das kann man auch schwer jemandem aus unseren Breitengraden zumuten“, diese Erkenntnis nimmt Goran Huber aus der nächsten Unterkunft bei Wiwili an der Grenze zu Honduras mit nach Hause. Mit gutem Grund, wie er uns noch später verraten wird.

Die Zimmer waren durch halbhohe Wände abgetrennt, der Zimmernachbar in Greifweite. Ein Blechdach über den Schlafkojen, und wenn nachts die Katzen am Dach unterwegs waren, war mit Garantie jeder wach. „Die Verhältnisse in diesem Hotel waren noch extremer, als bei unseren vorhergehenden Erfahrungen. Die Hotels in diesen Gebieten sind wirklich nur Absteigen für durchreisende Arbeiter oder für „ein paar Verrückte, so wie wir drei.“ Fremde kommen normalerweise nicht in diese Gegend, Touristen schon gar nicht. Die Straßenverhältnisse sind extrem schlecht und die umliegende „Wildnis“ ist nur mit Geländefahrzeugen zugänglich.

Vom „Hotel“ in Wiwili führte die Fahrt weiter zu einer Kooperative, die von Biosfair unterstützt wird, und in der achtundzwanzig kleine Kaffeebauern zusammengeschlossen sind und hochwertigen Spitzenkaffee erzeugen. Diesen Kontakt nützte Leonhard Wild gleich für Verhandlungen über die Lieferung von 100 %-ig reinem Arabica-Kaffee. „Die Freude der Leute war groß, besonders als wir sowohl einen fairen und der qualitätsvollen Arbeit entsprechenden Preis versprochen und weitere Unterstützungen in Form von medizinischen Hilfsmitteln, wie Medikamente, Verbandsmaterialien usw. für die in entlegenen Fincas ansässigen Kaffeebauern am Berg Kilambe zugesagt haben.“

Von der Wildnis in staatliche Gesellschaft

„Die Bekanntschaft und in der Zwischenzeit auch gewachsene Freundschaft mit Ulrich Salamun war für Leonhard Wild und mich in mehrfacher Hinsicht ein Segen und hat uns in den ganzen Tagen Türen und Informationskanäle geöffnet, die uns ohne sein Zutun und seinem allseits geschätzten Engagement für das Land und die Menschen in Nicaragua niemals zugänglich gewesen wären“, dankt Goran Huber dem Zufall, der ihm die Begegnung mit Ulrich ermöglicht hat.

Eine dieser sonst verschlossenen Türen führte das Kaffee-Expertenteam auch in das Landwirtschaftsministerium. Auch hier wurde deutlich: Ulrich Salamun ist ein willkommener und gerne gesehener Gast. Zugehörig zum Landwirtschaftsministerium ist eine Abteilung für Kaffeeangelegenheiten. Hier steht auch ein Prüflabor für Analysen zur Verfügung. Diese Einrichtung steht auch Produzenten für Qualitätstests zur Verfügung. Die objektive erhobenen Prüfergebnisse sind auch ein gutes Verkaufsargument bei Preisverhandlungen und entsprechend begehrt.

Auch die Mitarbeiter des Landwirtschaftsministerium freuten sich über die Gelegenheit zum regen Erfahrungsaustausch mit Fachleuten „von auswärts“, aus dem beide Seiten umfangreichen Nutzen ziehen können.

Zurück im Alltag – oder doch nicht?

Goran Huber und Leonhard Wild sind inzwischen wieder zurück in der Heimat. Voll bepackt mit tausenden Eindrücken und Erinnerungen und vor allem mit unendlich viel neuem Wissen über Kaffee, Kaffee, Kaffee, ….

„Bei Exkursionen zu Kaffeeplantagen sieht man normalerweise eine Vielzahl an Kaffeebäumen, erfährt vielleicht noch ein bisschen über die Kaffeeverarbeitung, alles eher schon ein etwas ‚touristisch aufbereitet‘ und das war´s dann auch schon. So viele und so tiefe Einblicke in die Arbeit des Kaffeebauern, des Kaffeearbeiters, der Aufbereitung und weiterführenden Verarbeitung habe ich trotz meiner jahrzehntelangen Erfahrung und unzähligen Reisen zu den Top-Kaffeedestinationen der Welt noch nie bekommen. Diese Kaffee-Reise war wirklich außergewöhnlich. Es war eine sehr lehrreiche Zeit für uns und auch für unsere vielen Gastgeber.“

Und wer Goran Huber kennt, weiß, dass dieses Kapitel damit noch nicht zu Ende geschrieben ist. Die ersten Profiteuere von Goran Hubers „persönlichem Weiterbildungsprogramm“ sind seine Kursbesucher, die brandaktuell mit neuesten Erkenntnissen und noch mehr und noch mehr fundiertem Wissen aus der Welt des Kaffees versorgt werden. Ein Qualitätsvorsprung auch im Ausbildungsbereich. „Um Wissen auf höchstem Niveau zu vermitteln, muss man selbst ganz tief in die Materie eintauchen und Insider-Kenntnisse aus allen Bereichen erwerben. Nicaragua hat einen großen Beitrag dazu geleistet, meinen Erfahrungsschatz zu erweitern.“

Im Verlauf der Reise wurde Goran Huber aber auch klar, dass er diese einmaligen Erlebnisse und Erfahrungen auch seinen Schülern und langjährigen Geschäftspartnern zugänglich machen möchte. „In Ulrich Salamun habe ich dafür einen kompetenten und verlässlichen Partner gefunden. Wenn wir jetzt auch noch zumutbare Unterkünfte für unsere Reisebegleiter finden, sind wir fast am Ziel und können regelmäßig Exkursionen in Nicaraguas Wunderwelt des Kaffee organisieren. Aber ich verspreche: Wir arbeiten bereits kräftig daran!“

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